Es fällt mir sehr schwer, über meine nächtlichen Träume zu sprechen und sie jemandem zu erzählen. Generell kann ich mir besser im Schreiben als im Sprechen ausdrücken, egal worum es dabei geht. Wenn ich das nicht tue, also dem was in mir ist irgendwie Raum zu geben und es nach außen zu tragen, türmt sich ein Berg von Energie in mir auf. Jede dieser Energien will dann irgendwie raus. Wenn ich sie nicht in ihre Freiheit loslasse, kostet mich das „in mir halten“ meine ganze Kraft.
Vorletzte Nacht habe ich einen sehr intensiven, sehr emotionalen Traum erlebt. Es war allerdings kein Traum, den wir in unserer Gesellschaft als „schön“ bezeichnen würden. Im Gegenteil. Was sich in mir ereignete während ich schlief, ließ mich tiefe Gefühle von Schmerz, Angst, Leiden, Hilflosigkeit und Überforderung spüren. Tagsüber neige ich dazu, diese Gefühle ignorieren-, oder starrsinnig hin zu etwas Positivem verändern zu wollen. Doch in meinem Traum begegnete ich ihnen dann schließlich; in eigener Form.
Auch nach dem Aufwachen spürte ich sie noch immer. Ich nahm meinen Mut zusammen und entschied, mich ihnen zu stellen. Sie anzusehen – Indem ich meinen Traum aufschrieb und damit alles noch einmal erlebte. Anschließend nahm ich mir noch etwas Zeit um mir bewusst zu werden, welche Bedeutung ich dem Erlebnis geben möchte und machte mir auch dazu kurz Notizen. Wenig später kehrten Ruhe und Frieden in mir ein. Ich fühlte mich wieder so sicher, dass ich mich zurück legen-, und sogar friedlich und entspannt weiterschlafen konnte.
Über den Tag wurde dann meine Dankbarkeit, diesen Albtraum erfahren zu haben, immer größer. So groß, dass ich aus dieser Dankbarkeit meinen Traum als Blogpost mit euch teilen möchte – weil die Dankbarkeit auch wieder ihren Weg nach draußen sucht; so schließt sich der Kreis.
Triggerwarnung: Gewalt
Der folgende Abschnitt, beginnend nach dem Traumfänger-Bild, beinhaltet eine Beschreibung des Erlebens von Ausübung seelischer und körperlicher Gewalt an einem Kind. Bitte entscheide auf eigene Verantwortung und zu DEINEM Besten, ob du dich dadurch getriggert fühlen könntest oder nicht. Ich habe diesen Abschnitt kursiv gesetzt und markiert, sodass du ihn überspringen kannst.
Triggerwarnung: Gewalt
Ich habe von einem Vater geträumt, der seine kleine, ca.3-4 Jahre alte Tochter zerschneidet (und damit schließlich tötet). Im Traum war es zuerst nur ein Film aber das hat es nicht weniger grauenvoll gemacht. Es war kein Hollywood-Thriller, sondern eher eine Art Doku. Es könnte auch eine Reportage oder ähnliches gewesen sein. Irgendwie habe ich es mir freiwillig angeguckt – ich glaube weil ich es verstehen wollte. Wie etwas absurd krankes überhaupt sein kann. Also sah ich es mir an. Ich habe gesehen wie der rechte Arm des kleinen Mädchens mit einem Messer abgetrennt wurde, die einzelnen noch zuckenden, pulsierenden Nervenenden im Inneren des Armes haben in meine Richtung gezeigt. In diesem Moment schien der Boden unter meinen Füßen zu entgleiten. Ich konnte da nicht länger hinsehen, es war zu schrecklich. Mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Im scheinbar selben Moment lief das Mädchen, das aussah wie ich auf alten Kinderfotos, weinend mit nur noch ihren rechten Arm aus dem Holzschuppen, in der sich die Szene abspielte. Ich wusste, dass dies noch nicht das Ende war aber entschied mich, den Film nicht weiter ansehen zu wollen und stattdessen nun schlafen zu gehen. Warum hatte ich mir das überhaupt angesehen?! In der Küche goss ich mir ein Glas hochprozentigen Alkohol ein, um das Ganze „verdauen“ zu können. Erst als ich das Glas wieder absetzte, fiel mir auf dass ich es in einem Zug geleert hatte. Ich dachte: „Gut, jetzt gleich kannst du es dann wenigstens hoffentlich vergessen und schlafen“ und machte mich auf den Weg in die obere Etage der Wohnung / des Hauses, in dem ich mich befand. Bereits als ich die Treppe hinaufging, kam mir irgendetwas komisch vor und ich fragte mich, ob ich halluzinierte. Ich sah von dort aus eine Frau unten am Esstisch setzen – die wirkte müde, bedrückt, ratlos.
Ohne weiter darüber nachzudenken ging ich weiter nach oben. Oben traf ich auf meine Mutter und spürte kurz dieselbe Energie, die auch die Frau am Esstisch ausstrahlte. Ich wollte ihr berichten, was ich gerade erlebt hatte, doch als ich näher zu ihr trat und sah wie sie apathisch da lag, kamen (Ich glaube 3?! Auf jeden Fall mehrere) Männer ins Schlafzimmer. Einer davon schien der Vater des Mädchens zu sein; aus der Szene die ich zuvor gesehen hatte. Ich wusste, dass er für mich kam, mein ganzer Körper wurde in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Mein Herz raste, jeder meiner Muskeln spannte sich an, bereit zum Kampf. Intuitiv griff ich nach einem Gürtel, der auf dem Bett lag, um ihn zur Verteidigung zu nutzen. „Warum habe ich mir das angesehen?! Ich wollte doch nicht dass das passiert, ich wollte es nicht heraufbeschwören!“ waren meine letzten Gedanken.
Mit einem unterdrücken Schreien und einer heftigen Kopfbewegung erwachte ich aus diesem Traum. Ich fühlte mich immer noch bedroht, mein Herz klopfte noch immer wie wild. Nach über einer Stunde begann ich dann, langsam und Stück für Stück etwas Abstand zu dem zu bekommen, was ich erlebt hatte.
Triggerwarnung Ende
Ich sehe diesen Traum als eine Art schmerzhaften, sehr deutlichen und sehr kraftvollen Reminder. Als Erinnerung daran, nicht selbst in die Rolle des Vaters zu schlüpfen und meinem Inneren Kind diese Gewalt anzutun. Denn ja, für mich ist es sicher, dass ich für mich selbst der Vater sein muss, den ich früher gebraucht hätte; genauso wie der Vater, den ich jetzt brauchen würde. Wer beschützt mich als kleines Kind denn schon, wenn nicht meine Eltern?! Wenn meine innere Mutter sich hilflos und machtlos fühlt und nicht mehr weiter weiß, liegt es an mir, meinem Inneren Kind in der Rolle des Vaters mit Liebe zu begegnen. Es ist falsch zu versuchen, gewaltsam bestimmte Teile von mir abzutrennen. Egal ob es Gefühle, Gedanken oder auch nur die Erfahrungen dahinter sind. Ich muss hinsehen, ja. Und wahrscheinlich möchte ich das auch irgendwie. Obwohl ich weiß, dass es schmerzhaft und unschön wird. Auch wenn es mir so vorkommt als könne ich dem, was sich mir offenbaren würde, nicht standhalten – wegzulaufen bringt mich nicht weiter. Das habe ich als kleines Kind getan. Aber dadurch konnte ich dennoch nicht das abwenden, was mir bevorstand. Ich muss hinsehen. Und mich selbst beschützen. Mich retten. Niemand, schon gar kein Dritter (es kamen im Traum ja mehrere Männer ins Schlafzimmer) darf meinem Inneren Kind Schaden zufügen. Ich selbst am wenigsten.
Und so gebe ich der kleinen Jasmin eine Stimme, in dem ich diesen Traum hier aufschreibe. Erlebt habe ich eine hochemotionale Erinnerung. Daran, mich selbst – mit allem was dazugehört – anzunehmen wie ich bin. Zu versuchen, etwas krampfhaft „loszuwerden“ oder es mit Gewalt komplett von mir abspalten zu wollen, ist nicht der richtige Weg. Es will gesehen werden, ja. Aber ich muss dem, was ich sehe mit Liebe begegnen, statt es direkt wieder vergessen oder „weghaben“ zu wollen. Ansehen, mit Liebe begegnen, so sein lassen, loslassen. Nur so ändere ich die Geschichte.