Ich muss zugeben dass Traurigkeit in mir aufstieg, als ich den Wintermantel von der Garderobe nahm. Ich liebte ihn aber trug ihn, auch im Winter, nur sehr selten. Zu selten. Gekauft hatte ich ihn vor 2 Jahren, im PicknWeight Store Köln (Ehrenstraße). Für relativ wenig Geld. Verkauft hatte ich ihn vor 2 Stunden, online über Kleiderkreisel. Für noch ein bisschen weniger Geld. Als ich das Kleidungsstück in den großen Versandkarton legte, fiel mir zum ersten Mal das Logo auf einzigen, relativ versteckten, Knopf des Mantels auf. Ich erkannte es sofort. Versace. Ich hatte einen teuren Designermantel besessen, ohne es zu wissen. Besser gesagt: Ich hatte einen teuren Designermantel, für eine verhältnismäßig lächerliche Summe, verkauft. Meinem Schlag fiel mir das Abschied nehmen noch schwerer.
Die Schilder im Inneren waren bereits herausgetrennt worden, bevor ich den Mantel im Second Hand Store gekauft hatte. Möglich also, dass auch der Knopf nachträglich ausgetauscht wurde und es sich doch nicht um ein High End Piece handelte. Kurz überlegte ich, Google zu nutzen um das Mysterium aufzuklären. Aber nein, eine Antwort auf die Frage nach dem Label würde nun nichts mehr verändern. Ich entschied mich gegen jegliche Recherche. Ein gewisses negatives Gefühl blieb trotzdem. Versace oder nicht – ich wünschte mir der Verkauf des Mantels hätte mir wenigstens etwas mehr Geld eingebracht. Nachdem ich das Paket zugeklebt hatte, nahm ich mein Handy in die Hand und hörte die Sprachnachricht einer Freundin ab.
Sie erzählte mir, sie sei soeben draußen an einem frierenden Obdachlosen vorbeigegangen. „..und ich hätte in dem Moment so gern mehr für ihn getan aber ich konnte ihm nur mein letztes Kleingeld geben… ich mein’ wenn er wenigstens etwas haben würde, worauf er sitzen kann..oder irgendeine Decke…“
Ich schämte mich. Dafür, noch vor wenigen Minuten unzufrieden gewesen zu sein. Unzufrieden, mit der Geldsumme, die ich für ein Kleidungsstück bekommen habe. Ein Kleiderstück, dass ich weiter gab, da ich es nur selten getragen habe. Weil ich noch andere Stücke besaß und noch immer besitze.. die ich präferiere. Ich habe die Wahl. Jeden Tag. Andere Menschen haben sie nicht. Sie können nicht wählen, welchen Mantel sie anziehen weil sie keinen besitzen. Vielleicht können sie überhaupt nicht wählen, welche Kleidung sie anziehen. Oder was sie essen. Wo sie essen; wann; mit wem. Ob überhaupt.
Genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich in Zukunft mehr spenden-, und weniger verkaufen werde. Alles, was ich nicht brauche oder was in meinem Leben im Überfluss vorhanden ist, soll jemand anderen glücklich machen. Mein Fokus soll nicht mehr darauf liegen Geld zu bekommen, sondern darauf, Gutes zu tun.
Zu geben, anstatt zu nehmen.
Ich glaube genau dieser Perspektivenwechsel hat eine große Kraft. Denn wir alle, sind versorgt. Mit einer Unterkunft, mit Nahrungsmitteln, mit Kleidung… mit Sicherheiten und Freiheiten. Mit Wärme, Licht, Wasser… sogar mit dem Internet. Wenn wir unseren Blick kurz von links nach rechts schweifen lassen. Von dem, was wir vielleicht noch haben könnten (z.B. Einnahmen aus Verkäufen), hin zu dem, was wir geben können (z.B. Kleidung).
Nachdem ich den Mantel verschickt hatte, spendete ich meine Einnahmen an fdks-obdachlosenhilfe.de und asb.de